Sitten und Brauchtum




Die Hochzeiten:


Eine Gelegenheit zu festlichem Gelage gaben besonders die Hochzeiten.

Dieses Familienfest wurde oft über das zulässige Maß hinaus ausgedehnt. Das halbe Städtchen beteiligte sich daran. Dabei dauerte das Fest oft mehrere Tage. Für die Wirte waren dies fette Zeiten mit reicher Ernte.

Der Magistrat bebeschränkte sich anfänglich darauf, die Zahl der Hochzeitsgäste festzusetzen, beziehungsweise zu vermindern und die Nachhochzeiten aufzuheben. Bald ging er aber weiter und korrigierte die hohen Preise der Wirte. Er bestimmte, daß der Gesamtpreis für ein Hochzeitsessen nicht mehr als 28 Gulden und für Brot 6 Gulden betragen durfte. Den Wein und das Bier mußten die Gäste besonders bezahlen.

Um 9 Uhr morgens wurde in der Kirche geläutet, um 10 Uhr war die Trauung, um 11 Uhr war Schluß und um 12 Uhr mußte die Suppe auf dem Tische  stehen. Um 5 Uhr Nachmittags war Schluß der Schenke, um 6 Uhr wurde geläutet, worauf vom Wirt, bei 3 Gulden Strafe, die Zeche gemacht werden mußte.

1706 bestimmte der Rat, daß die Wirte bei einem Hochzeitsmahl sich mit einem billig mäßigen Gewinn begnügen müssen.

-Pro Person durfte für das Essen nicht mehr als 28 Kreuzer berechnet  
werden.

-Jeder Person durfte während der Mahlzeit nicht mehr als ein Maß   
(
damals 1,8 Liter) verabreicht werden.

-Bei Hochzeiten mit Bierschank mußte Bier und Brot genügend ge geben  
werden und brauchte jede Person nicht mehr als 36 Kreuzer bezahlen. Kinder
und Gesinde durften an der Mahlzeit nicht Teilnehmen. Den anderen Tag
durfte nicht mehr gefestet werden. Doch war es dem Jungvolk gestattet, das
Brautkränzlein zu vertrinken.

Ab 1782 war für die Hochzeitskosten eine bestimmte Taxe fest-
gelegt. Nach derselben erhielten:

Die Geistlichen:
                     
jeder einen Gulden und 30 Kreuzer, 5 Pfund Braten, 1 Maß Wein.

Die Sänger:                            
30 Kreuzer

Der Organist:                         
24 Kreuzer    

Der Meßner:
                           
24 Kreuzer

Der Hochzeitslader:           
2 Gulden und für die Nachhochzeit 30 Kreuzer

Die Turmbläser:     
12 Kreuzer

Der Orglzieher:     
6 Kreuzer

Der Ratsdiener:     
12 Kreuzer, 2 Pfund Fleisch

Der Bettelvogt:                 
8 Kreuzer



Die Kirchweih:

Die Kirchweih war das Hauptfest des Jahres. Sie war geistlich wie weltlich ein offizielles fest an dem jung und alt beteiligt war.

Der Kirchweihtanz wurde auf wurde auf den Torwiesen, zwischen Bahnhof und Kreissparkasse, abgehalten. Die Stadt leistete hierzu einen Beitrag. Die Burschen, welche den Kirchweihtanz anzuführen hatten, erhielten zur Bestreitung ihrer Unkosten einen Gulden und 30 Kreuzer.

Unweit davon, an der Schießmauer, wurde das Kirchweihschießen abgehalten, an welchem jeder Bürger teilnehmen konnte.Der jeweilige Schützenmeister wurde aus der Mitte des Senats ernannt.

Auch hier leistete der Magistrat einen größeren Beitrag. Was an Standgeld für Bierzelte, Kegelbahnen und Glückshafen einging, wurde als Preise für die besten Schützen ausgesetzt. Die Glückshafen wurden in der Regel an die Zinngießer vergeben. Ausgelost wurde Ton-, Porzellan- und Zinngeschirr. Das letztere war ganz besonders beliebt.

Selbst in den geringsten Familien gab es an diesen Tagen einen Braten, vom Kuchen gar nicht zu reden.

Das Überhandnehmen von Hausschlachtungen veranlaßte die Metzger 1739 an den Magistrat eine Beschwerde einzureichen. Dieser beschloß darauf , daß Hausschlachtungen künftig einer Bewilligung des Magistrats bedürfen. Der Konsum an der Kirchweih ist aber darum nicht zurückgegangen.

Auf dem Lande sind die Kirchweifeiern im Freien, besonders in Essingen einst unter der Leitung von “Platzmeistern” sehr besucht, in Abgang gekommen. Der Huttanz findet bisweilen noch statt, das Eierlaufen ist nie gebräuchlich gewesen.

Heute wird die Kirchweih nicht mehr beachtet.



Das Umsingen:

Das Umsingen der Schule war ein sehr alter Brauch. Die fahrenden Schüler übten denselben das ganze Jahr,die von Aalen nur an Weihnachten. Der 30 jährige Krieg hatte darin auf lange Zeit eine Unterbrechung gebracht.

Nachdem sich die Stadt jedoch wieder erholt hatte, kam auch dieser Brauch wieder in Übung.

1698 wurde den Präzeptori wieder erlaubt, in der Stadt herum zu singen,
“Weil Gott den Lieben Frieden wieder geschenkt, doch daß sie eine Moderation (Mäßigung) brauchen sollen, nicht etwa übel reden, wenn
noch bei den harten Zeiten wenig gegeben werde”



Die Kunkelstuben:

Die Kunkelstuben waren vor dem 30 jährigen Krieg  allgemein üblich. Sie wurden  abwechselnd bald in dieser bald in jener Familie abgehalten.

Die Mädchen brachten ihre Spinnräder mit und füllten den Abend beim trüben Licht einer schwelenden Ölfunzel mit spinnen aus.

Die Burschen saßen dabei und ertählten alte Sagen und altdeutsche
Volksschwänke, welche auf diese Art durch die Jahrhunderte erhalten blieben. Daneben aber auch Gespenstergeschichten, daß den zuhörern die Haare zu Berge stiegen. Und Aalen war ein günstiger Boden für diese Dinge.

In einer Zeit wo es noch keine Vereine gab und die gesellschaftlichen Verhältnisse sehr primitiver Natur waren, bildeten diese zusammenkünfte,
die nur hier und da stattfanden, eine gewisse abwechslung in dem täglichen Einerlei.

Nach dem 30 jährigen Krieg war der Rat dagegen und in der Stadtstatute  heißt es:
“Zum 26. Werden bei hoher Straf alle unehrlichen Zusammenkünfte junger unverjährener lediger Bursch, verführerischer Kunkel- und Lichtstuben verboten”

Die Aalener Jugend kam jedoch trotzdem zusammen.

Im November 1681 wurden die Kunkelstuben von neuem Verboten. Der Magistrat ging noch weiter und Verbot überhaupt alle Zusammenkünfte. Er brachte es damit zustande , daß weder jung noch alt sich an das Verbot hielten. Es gab überall stille Winkel, wo man im Winter zusammen kommen konnte.

Beim Höfelschneider im Höfle waren es Alte, auf dem Tabernakel waren es Junge, die das Verbot umgingen. Auf dem Kirchturm aber, beim Großmeister aller Säufer, dem Stadtzinkenisten, Schmid, saßen die Herren von der Lumpenliste und ergötzten sich am Geist, der über den Wassern schwebt,
am Branntwein.

Und dabei stand das Wachthäuschen direkt vor der Tür.



Die Kleiderordnung:

Die Kleiderordnung war das Steckenpferd vom Magistrat.

Die jungen Leute mußten mit schlicht gekämmten Haaren in der Kirche erscheinen. Dauerwellen wären zu damaliger Zeit eine Auflehnung gegen die Obrigkeit gewesen.

Die Tochter des Stadtrats Winter erhielt 1692 einen Verweis, weil sie mit geflochtenen Haaren in die Kirche kam.

Für den Kirchenbesuch war für die Männer der Mantel, für die Frauen der Kragen (ein kurzer Umhang) vorgeschrieben. Dem Meßner wurde 1696 zur Auflage gemacht, wenn er jemanden ohne Mantel oder Kragenin der Kirche bemerke, dann solle er sie den Geistlichen überliefern. Im Oktober 1696 wurden deswegen mehrere Kirchengänger um 15 Kreuzer bestraft.

Am 27 Februar brachte der Rat die Kleiderordnung heraus, an der er wenig Freude erlebte. Diese richtete sich besonders gegen Pariser Hauben und Corseletts, die mit Gold und Silberborten besetzten Husarenjacken etc.
der Aalener Damenwelt.

Doch die Trägerinnen dieser Luxusartikel gehörten meißt zu den eigenen Kreisen des Magistrats und seiner Sippe. Die gewöhnlichen Bürgerstöchter trugen sich einfacher.

Die Postamentierer und Bortenwirker als vornehmstes  Gewerbe der Stadt, aber fühlten sich in ihren Einkünften bedroht und machten dem Magistrat die Hölle gründlich heiß.

Die Verordnung welche mit vielem Geräusch in die Welt gesetzt worden war, hatte ein sehr stilles Begräbnis. An Biertischen aber gab es reichlich Stoff zum Sticheln.



Bei Todesfällen:


Bei Todesfällen hatte der Rat angeordnet, daß die Leiche nicht länger als 24 Stunden im Haus bleiben durfte.

Leichenwagen gab es früher keine. Wenn jemand starb wurden Nachbarn zur Leichenwache und zum Leichentragen gebeten. Dies beruhte nach altem Brauch auf Gegenseitigkeit.

Beim Tode eines Senators trugen die
jüngeren Ratsherren seine
Leiche zu Grabe.  Es war dieses nicht immer ein angenehmes
Geschäft. Der Weg zum Friedhof lag früher bedeutend tiefer als
heute und war nach Regenwetter oft tagelang zu einem halben
Meter überschwemmt, so daß die Träger im Wasser gehen mußten.

Die Aal machte vor Ihrer Regulierung einen Bogen, der dicht vor
das Schlachthaus führte. Die Fahrzeuge fuhren direkt durchs
Wasser, für die Fußgänger war wegen dem Leichentragen ein
Holzsteg errichtet.

Die beerdigung eines Selbstmörders war mittelalterlich roh. 1778 hatte sich der Wärter vom neuen Tor erhängt. Am Abend nach dem Geläute der Betglocke mußte ihn der Scharfrichter abnehmen, in einen Sack stecken und in Begleitung einer bewaffneten Bürgerwache von acht Mann auf einer Schleife in den Rohrwang führen. In einem Gebüsch abseits des Weges, wurde er ohne Zeremonie und in Abwesenheit seiner Angehörigen eingescharrt.



Die Anklopfet:

Dieser viel geschmähte und gehetzte Brauch war wohl hundert mal abgeschafft worden und eben so oft feierte er wieder fröhliche Urständ. Er war einfach nicht tot zu kriegen.

1.  “Glück und Segen”
2. “Verbrauchts Gesund”
3. “Guats Johr, guats Johr, daß s´Kora guat grod´t, bis Johr.”
4. “Drei Rose blühn, an einem grünen Stengel. Der Herr ischt schö,
      die Frau ischt schö, die Kinder sen wie´d Engel.”

Dies sind nur wenige Sprüche die bei der Anklopfet einher gingen.

Es war ein durch altes Herkommen geheiligtes Recht, welches Kinder acht Tage vor Weihnachten ausübten.

Daß es alt war, bezeugte der Inhalt des Sprüchleins (
3). Sie wün-
schten daß das Korn gut gerate im nächsten Jahr. Ganz gleich ob
Pate nun Konditor, Gerber oder Loder war, ob er Landwirtschaft
betrieb oder nicht. Von einem Glückwunsch für das Handwerj war
keine Rede. Der Brauch mußte also aus jener fernen Zeit stammen,
wo in Aalen die Landwirtschaft noch Hauptbetrieb war.

Es war selbstverständlich, daß die Paten, erfreut über diesen
Frommen Wunsch, ihre Dotenkinder mit Backwerk, Äpfeln und
Nüssen beschenkten.

Dies weckte natürlich die Begehrlichkeit der städtischen Almosen-
empfänger. Sie machten sich die Gelegenheit zunutze un klopften
ebenfalls an. Ihrem Beispiel folgten die Armen der näheren und
später auch der weiteren Umgebung und das waren nicht so wenige.
So kam es das acht Tage vor Weihnachten die Stadt von Leuten
wimmelte, welche alle im kommenden Jahr das Korn gut geraten
lassen wollten.

Der alte, an sich ganz nette Gebrauch war damit zu einer vulgären
Bettelei geworden.

Das wurde den Bürgern schon vor dem 30 jährigen Kriege lästig,
umsomehr nach dem großen Brand, wo alles verarmt war und selbst
den Bettelsack auf den Buckel nehmen konnte.

Am 20. Oktober 1649 findet man im städtischen Protokoll auch
den lapidaren Satz:
“Die Anklopfet gentzlich abgeschafft und
verbotten”


1651 wurde die Strafe von 1 Gulden darauf gesetzt. Es nützte jedoch
nichts, es wurde weiter geklopft und wieder weiter verboten. Man
schloß am Tage der Anklopfet die Tore, die Bettler schlichen sich
am Abend vorher in die Stadt. Der Präzeptor mußte den Schülern
das Anklopfen verbieten, aber die kleinen Bettelstudenten
kümmertensich wenig darum.

Der Rat verordnete, daß die Paten ihre Dotenkinder an Neujahr beschenken sollten. Er machte da Übel dadurch nur noch größer, denn nun wurde zweimal angeklopft.

1776 ließ der Rat an den Stadttoren große Tafeln mit der Inschrift anbringen:
“Alles Betteln und Fechten in Aalen ist bei Stockschlägen verbotten.”

Auf die Dauer hat auch dies nichts geholfen. Die Paten beschenkten ihre Dotenkinder und beschenkten auch fremde.

Die Verbote wurden zwar immer wieder erneuert, die Anklopfet überlebte sie jedoch alle. Sie geriet erst dann allmählich in Vergessenheit, als die Verbote aufhörten.



Palmsonntag:

Etwas Eigentümliches ist in Aalen die Sitte, am Palmsonntage die Kinder auf den Kirchhof zu führen und auf den Gräbern von Verwandten mit Leckereien zu beschenken, welche angeblich von den verstorbenen aufs Grab hinausgelegt worden sind. Selbst an Auswärtige schicken manche solche Gaben unter solchem vorgehen.



Maiennacht:

In der ersten Mainacht gilt es mancher Orten, z.B. in Lauterburg, für ein Recht der ledigen Burschen, wenn sie etwas vor den Häusern finden, das eigentlich sollte aufgehoben sein, die zu verstecken.

Auch werden in dieser Nacht häufig Maien gesteckt, mancher Orts mit allerlei Flittern und Goldschaum verziert.

In Wasseralfingen und einigen anderen Orten, z.B. Leinweiler und Heuchlingen, kommt das Umreiten des “Pfingstlümmels” vor, wie eigentlich der heißt, welcher an diesem Feste als letzter aufsteht. Vier junge Burschen, mit Goldpapierkappen und farbigen Bändern, von den Achseln flatternd, die Gesichter bemalt, reiten Nachmittags im Dorf und der Umgegend umher, sagen vor den Häusern einen gereimten sinnlosen Dialog her und werden hierauf beschenkt. Das Ende vom Lied ist natürlich ein Gelage.



Der Kocherreiter:


Der Kocherreiter war ein Geist der in Untergröningen sein Unwesen trieb. Dieser gefürchtete Reiter hauste im oder am Kocher. Die einen sagten, er habe seine Wohnung im Wald am Kocher, andere behaupten seine Behausung sei unter den Kocherbrücken oder am Grunddes Flusses. Er soll schwarz wie die nacht sein und seine Augen haben den stechendend Glanz von grünen Katzenaugen. Allerdings trägt er den Kopf oft unter dem Arm. Oft hat er gar keinen Kopf und da sein Leib aus Gebein besteht weil das Fleisch im Wasser
weggefault ist, kann man sich den grausigen Anblick vorstellen. Er ließ sich nie am Tage blicken, erst nach dem Bettglockenläuten begann er seinen Ritt. Je dunkler die Nacht, je dichter der Nebel, je toller der Sturm und Regen desto wilder ritt er am Kocher auf und ab. Kinder die unartig waren warf er in den Kocher. Aber auch Erwachsene warf er in die Flut oder schlug ihnen das Genick ab. Dennoch hatte der Kocherreiter auch seine guten Seiten, z.B.
warnte er die Menschen bevor der Kocher über die Ufer trat. Er habe geschrien: “Ziagt aus! Der Kocher kommt!”. Aber als der Kocherreiter mit der Zeit immer grausiger wurde setzte er alles und Furcht, und so soll der Sage nach ein katholischer Pfarrer dem Treiben des Kocherreiter Einhalt geboten haben.